Herrenfahrrad der Styria-Dürkopp Fahrradwerke in Graz von 1927

Gekauft habe ich das Styria von einem Sammlerkollegen aus Oberösterreich, da ich schon immer eines dieser prächtigen Fahrräder wollte, die besonders durch ihre aufwändigen Ätzungen auffallen.

1927 Styria, geätzter Schriftzug auf dem Unterrohr
1927 Styria, geätzter Schriftzug auf dem Unterrohr

Das Styria befindet sich in einem ziemlich 'patinierten', sprich stark gebrauchten Zu- stand. Zahlreiche Reparaturen, wie z.B. an der Lenkstange, am Bremsgestänge, an einer Schutzblechstrebe oder dem Gabel-schaft, dokumentieren die intensive Nutzung während seiner aktiven Zeit. Trotz allem hat das Fahrrad nur wenig von seiner damaligen Pracht eingebüßt. Die wundervollen Ätzun- gen am Gabelkopf, der ebenfalls geätzte Styria-Schriftzug auf dem Unterrohr und nicht zuletzt die vernickelten Lenkkopfmuffen müssen im Neuzustand 1927 eine unglaubliche Wirkung entfaltet haben.

Bei österreichischen und tschechischen Fahrrädern der gehobenen Klasse wa- ren Ätzungen durchaus häufig anzutreffen, bei Rädern aus Deutschland da- gegen sehr selten. Auch setzten sich die in den 1900er und 1910er Jahren in der österreichischen k.u.k. Monarchie so beliebten, geätzten Vollscheiben (aus einer Scheibe hergestellte und stark verzierte Kettenblätter) in Deutschland nicht durch und blieben eine seltene Ausnahme.

1927 Styria, Hersteller- und Händlerschild
1927 Styria, Hersteller- und Händlerschild

Das hier vorgestellte Styria-Rad stammt nach der Rahmennummer aus dem Baujahr 1927. Die Rahmenhöhe beträgt 58 cm und die Rahmengeometrie mit dem nach vorne abfallenden Oberrohr verleiht im eine be- sondere Note. Der Lack des Rahmens ist weitgehend original erhalten.

 

Ein sehr schönes Detail stellt auch das über dem eigentlichen Lenkkopfschild ange- brachte Händlerschild dar: STYRIA Fabriksniederlage, Reissberger & Robinson, Graz, Neutorgasse 55.

Die Torpedo-Hinterradnabe von F&S trägt die Jahreszahl 27 (für 1927), vorne ist ebenfalls eine Nabe dieses Her- stellers eingespeicht. Der Antrieb weist eine Teilung von 5/8" x 3/16" auf. Die für österreichische Räder typischen schmalen Wulstfelgen zeigen einen grünen Mittelstrich. Darauf sind Wulstreifen der österreichischen Marke Semperit in der Dimension 28“ x 1 1/2“ montiert, damals das gängige Maß.

Der Sattel stammt von Robert Bieber in Graz, die Werk- zeugtasche von Assmann in Leibnitz, ebenfalls eine Firma aus der Steiermark.

Riemann Sechspol-Lichtanlage aus einem französischen Katalog von 1930
Riemann Sechspol-Lichtanlage aus einem französischen Katalog von 1930

Die Lichtanlage der Firma Riemann aus Chemnitz von ca. 1930 oder kurz davor kommt aus meinem Teileregal. Dabei han- delt es sich um den legendären 6-poligen Riemann-Dynamo, damals mit das Beste was man an elektrischer Beleuchtung be- kam und einem Fahrrad wie diesem ange- messen. Durch die sechspolige Konstruktion lief der Dynamo besonders leicht und lie- ferte bereits bei niedrigen Drehzahlen eine relativ hohe Leistung. Der große Trommel-scheinwerfer besitzt noch das originale Glas mit der Eichenlaub-Ätzung, dem Marken-zeichen der Firma Riemann. Mir fehlt noch der passende Stecker zum Anschluss des Kabels. Erst später stellte man auf eine Anschlussschraube um und der Stecker entfiel.

Die Holzgriffe für den 25 mm starken Lenker wurden von einem ungarischen Kollegen nachgefertigt.

 

Das Styria ist im jetzigen Zustand nur bedingt fahrbereit, weil Sattel und Reifen schon etwas mürbe daher kommen. Das Rad wird aber ohnehin sehr selten ge- fahren, da mir der Rahmen zu klein ist. Mit der deutlich sichtbaren Patina auf der einst so prachtvollen Erscheinung ist es dennoch ein schönes Stück öster-reichischer Fahrradgeschichte in meiner kleinen Sammlung.

Update 04.2017

 

Das Styria fand inzwischen wieder in seine Heimat zurück. Reissberger & Robinson gibt es heute noch in Form der Firma Robinson, einem großen Auto- haus in Graz.

 

1908 als erste Autohandlung der Steiermark in Graz, Neutorgasse 55, durch Douglas Robinson gegründet, verkaufte man damals Fahrzeuge der Marken Opel, Steyr und eben auch Styria-Fahrräder.

 

Als Geschenk für den Enkel des Firmengründers fand das Styria nun nach 90 Jahren wieder an den Ort zurück, an dem es einst an einen Kunden übergeben wurde.

 

Eine schöne Geschichte mit einem ebensolchen Ende, wie ich meine.