Jeder Liebhaber und Sammler historischer Fahrräder möchte natürlich wissen wie alt seine Schätzchen sind. Das ist auch meist die erste Frage, die von einem Neuling in einem Forum gestellt wird.
Um ein Fahrrad einer Zeitperiode zuzu- ordnen, reicht Kennern der Materie meist ein Blick auf gewisse Details wie Rahmengeo- metrie, Behandlung der Blankteile, Ver- bindungsstellen des Rahmens und der Ga- bel, Kettenblatt, Steuerkopfschild, Anbau- teile (falls original) und einigem mehr. Um das exakte Baujahr zu bestimmen, bedarf es aber dreier weiterer Faktoren: der Rahmen- nummer, einer datierten originalen Nabe (meist eine Nabe der Marke Fichtel & Sachs) und last but not least engagierten Sammlern, die aus diesen Daten Listen erstellen. Bei ausreichender Zahl von sicher datierten Rädern kann man nun ausschließlich anhand der Rahmennummer ein bestimmtes Baujahr er- schließen. Dies gelingt momentan bei Fahrrädern einiger großer Hersteller aus Deutschland und Österreich schon sehr zuverlässig, da die Zahl der aus- gewerteten Daten dort recht hoch ist (Rahmennummernlisten).
Deutsche Hersteller verbauten seit dem Beginn des 20. Jh. häufig (ich schätze zu 70 bis 80 Prozent) Naben der Marke Fichtel & Sachs. Diese Firma datierte dankenswerterweise ihre Produkte. Zuerst nur auf den einzelnen Teilen, ab 1921 auch von außen sichtbar auf den Hülsen der Hinterrad-Bremsnaben.
Fast alle Fahrradproduzenten aus Deutschland und Österreich nummerierten ihre Rahmen von 1 bis n, also fortlaufend. Bei denjenigen Herstellern, bei denen es einen Unterbruch in der Nummerierung gab, bekommt man diesen zeitlich meist mit den Daten der Naben in den Griff, eine ausreichende Anzahl vorausgesetzt. Von einigen wenigen Herstellern existieren auch noch Pro- duktionslisten mit Rahmennummern und Jahreszahlen, die heute natürlich als Korrektiv hilfreich sind.
Katalogabbildungen sind nur sehr bedingt aussagekräftig, da viele Modelle über einen längeren Zeitraum im Angebot waren und zudem oft aus Gründen der Wirtschaft- lichkeit ältere Druckklischees auch in nachfolgenden Katalogen verwendet wur- den, selbst wenn das aktuelle Modell in Details davon abwich. Immerhin handelte es sich um aufwändig herzustellende Zeichnungen und Druckvorlagen. Die Kata- logtexte sind da meist informativer, ver- schweigen aber wichtige Details, die damals für den Kunden nicht relevant waren, für eine Datierung heute aber relevant wären.
In Frankreich ist die Situation eine ganz an- dere. Weder wurden dort im großen Stil Hinterradnaben von F & S verbaut (obwohl es sie durchaus in den Katalogen gab), noch nummerierte man bei vielen Marken die Rahmen kontinuierlich durch. Meist ver- wendeten die großen Hersteller eigene Naben, die so gut wie nie datiert waren. Die kleinen Produzenten griffen auf Produkte von Teilezulieferern zurück, die ebenfalls nicht gekennzeichnet waren. Das wirft bei der zeitlichen Zuordnung eines franzö-sischen Rades natürlich Probleme auf. Bei kleinen Marken, und von denen gab es Hunderte, sind zudem kaum oder keine Kataloge greifbar – falls es sie über- haupt je gab.
Wenn man also ein möglichst genaues Datierungsgerüst für einen bestimmten Produzenten erstellen möchte, dann funktioniert das nur unter gleichzeitiger Auswertung aller verfügbaren Quellen, als da sind: Originale Fahrräder, Kataloge, Rechnungen, Garantiescheine, Primär- und Sekundärliteratur, historische Fotografien, datierte/datierbare Teile in gesichertem Umfeld usw., und das möglichst auf einer breiten Basis. Da bei kleinen Marken die Breite der Basis schon allein an der Anzahl erhaltener Fahrräder scheitert, wird ein Da- tierungsgerüst nur bei großen Herstellern in absehbarer Zeit zu realisieren sein. Peugeot zum Beispiel gehörte zu den ganz großen Herstellern.