A. Moret, Auxerre

Allgemeine Gedanken zu Fahrrädern aus Bausätzen und Kleinhersteller in Frankreich

 

In den ersten Boomjahren des Fahrradbaus, der Zeit um die Jahrhundertwende bis zum 1. WK, als das Fahrrad vom exklusiven Spielzeug Reicher zum Ge- brauchsgegenstand breiterer (bürgerlicher) Bevölkerungsschichten avancierte, stieg folglich der Bedarf an Werkstätten und Händlern, vor allem auch in den ländlichen Regionen. Diese Marktlücke erkannten einige spezialisierte Firmen wie B.S.A., DEXTER, RUDDY u.a., vornehmlich aus den Vereinigten Staaten und England (B.S.A.), und boten Rahmenbausätze oder auch komplette Rahmen über Importeure in Europa an.
Die Bausätze ermöglichten auch kleinen und kleinsten Werkstätten und Schmie- den eine eigene Produktion von Fahrrädern. Sie konnten auf diese Weise an ihrer Arbeit verdienen, ohne auf die wenigen großen Fahrradhersteller und deren Produkte angewiesen zu sein und für diese nur als reine Händler zu fun- gieren.

Katalogblatt Décosse 1907. Fahrradteile des Herstellers B.S.A.
Katalogblatt Décosse 1907. Fahrradteile des Herstellers B.S.A.

Der wesentliche Unterschied zu den Rahmen der Großhersteller bestand darin, dass ein solcher Bausatz aus Guss- bzw. Fräsmuffen bestand, die außer dem Zuschneiden von Rohren und dem Hartlöten keine weiteren speziellen Maschinen erforderte, um einen stabilen Rahmen zu erzeugen. Biege- und Richtbänke waren unnötig, einzig gerade Rohre wurden benötigt. Die aufwändigeren Gabeln kamen oft bereits fertig zusammen-gebaut zu den Kleinherstellern. So entstan- den in Klein- und Kleinstserien Rahmen, die denen der großen Hersteller technisch in nichts nachstanden.

Erst in den folgenden Jahrzehnten erkannten die meisten großen Fahrrad-Produzenten dieses Potenzial und lieferten auch sog. OEM-Produkte, also ungelabelte Rahmen, so dass die amerikanischen Bausätze ab den 20er Jahren langsam aus den Katalogen verschwanden. Zudem wandelten sich die Kleinstbetriebe nach und nach zu reinen Händlern und Reparaturwerk-stätten.


Streng genommen handelt es sich bei Rädern aus Bausätzen also nicht um Konfektionsfahrräder, sondern in der Tat um eigenständige Produkte eines klei- nen Betriebes. Und von diesen gab es in den beiden Jahrzehnten nach 1900 Hunderte, deren Namen man heute zum größten Teil nicht einmal mehr in Quellen erfassen kann, geschweige denn, dass ein Fahrrad dieser Kleinst-hersteller überlebte. Aus diesen Gründen habe ich mich besonders über das Fahrrad der kleinen Firma von A. Moret aus Auxerre gefreut.

 

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