Datierung von Fahrrädern der Marke Peugeot

von 1890 bis 1940

Als ich vor einigen Jahren mein erstes Peugeot-Fahrrad aus der Zeit vor 1914 be- kam und natürlich wissen wollte wie alt es wirklich ist, hieß es von allen Seiten: ein Peugeot könne man nicht anhand der Rahmennummer datieren. Überhaupt gelang – im Nachhinein betrachtet – die zeitliche Einordnung eines Peugeots nur überaus grob mit einer riesigen Schwankungsbreite, speziell was Räder vor 1930 betraf.

Deckblatt des Peugeot-Katalogs von 1909
Deckblatt des Peugeot-Katalogs von 1909

Es existiert eine Monografie über Peugeot-Fahrräder (Hilger, Lucien, Peugeot et le cy- clisme. Nancy 2009), die gleichzeitig auch den Wissensstand vieler Peugeot-Sammler darzustellen scheint. Das Buch ist genau für die Periode die mich interessiert, nämlich die Zeit zwischen ca. 1895 und 1920, leider wenig brauchbar. Belege fehlen weitgehend und etliche Angaben sind falsch, wie sich mittlerweile herausstellte.

Damit konnte und wollte ich mich damals natürlich nicht zufrieden geben und begann selbst Literatur (möglichst Primärliteratur) und auch ganze Fahrräder zu sammeln. In einigen Jahren kam dann eine ansehnliche Menge an Material zusammen.

Meine angesammelten Räder sowie solche anderer Eigner dokumentierte ich. Zudem konnte ich auf die Erfahrungen eines Freundes zurückgreifen, der schon einige Peugeots besessen hatte und die Details kannte, sich aber nie intensiv mit einer exakten zeitlichen Zuordnung beschäftigte.

Werbeaschenbecher mit Steuerkopfschild eines Fahrrads, 1910er Jahre
Werbeaschenbecher mit Steuerkopfschild eines Fahrrads, 1910er Jahre

Mittlerweile (Stand 01.2014) ist mein Gerüst für Peugeot soweit gesichert, dass es grund-sätzlich möglich erscheint, das Alter eines Fahrrads anhand seiner Rahmennummer mit einer Bandbreite von zwei, maximal drei Jahren anzugeben. In etlichen Zeitab-schnitten auch jahrgenau, wobei ich mich auf die Zeit vor dem 2. Weltkrieg be- schränke.

Die Datierung eines alten Peugeots ist aller- dings nicht ganz trivial und funktioniert kei- nesfalls ohne das Rad zumindest auf Bildern gesehen zu haben. Das liegt daran, dass Peugeot keine fortlaufende Nummerierung pflegte, sondern mehrmals wieder von vor- ne begann. Rahmennummern kommen so- mit nicht nur einmal vor, wie z.B. bei den meisten deutschen Herstellern, sondern mehrmals; und wer nun meint, Peugeot hätte jeweils bei Erreichen einer be- stimmten Anzahl neu zu zählen begonnen, den muss ich enttäuschen.

Ich bin noch nicht dahinter gekommen, zu welchen Anlässen die Firma Peugeot eine neue Zählung begann, allerdings befürchte ich, es waren unterschiedliche Anlässe und daher sind diese schwer nachzuvollziehen.

Garantiezertifikat für ein Peugeot-Fahrrad, 1923
Garantiezertifikat für ein Peugeot-Fahrrad, 1923

Steuerkopfschilder lassen sich mittlerweile ebenfalls relativ punktgenau bestimmten Ab- schnitten der Firmengeschichte zuordnen (hier sind die Angaben in der Monografie für die alten Messingschilder leider völlig falsch), genauso wie viele Details an den Fahrrädern, wie zum Beispiel Gabelköpfe, Kettenblätter, Pedale, bestimmte Maße, die Geometrie eines Rahmens und dergleichen mehr. Es sollte sogar möglich sein, anhand von Fotos eines Rades die Rahmennummer relativ genau zu schätzen, wenn es in den wichtigsten Teilen original erhalten ist.

 

Eine Datierung anhand der Rahmennummer muss man aber immer vor dem Hintergrund der Produktionsmenge betrachten, die bei Peugeot teilweise gigantisch war. In einigen Zeitabschnitten waren um oder mehr als 100.000 Fahrräder pro Jahr üblich. Daher muss einer Datierung, die sich nicht auf absolute Zahlen wie z.B. eine Naben-kennzeichnung stützen kann, eine gewisse Schwankungsbreite in bestimmten Abschnitten eingeräumt werden. Nichtsdestotrotz ein gewaltiger Schritt nach vorne, wenn man den Ausgangspunkt betrachtet.

 

Wenn der Zeitpunkt gekommen ist, an dem neu eintreffende Dokumente das be- stehende Gerüst stützen und nicht ins Wanken bringen, dann ist man zwar noch lange nicht am Ende der Arbeit angelangt, aber ein entscheidender Abschnitt scheint geschafft zu sein.

Peugeot-Klingeldeckel, 1910er Jahre
Peugeot-Klingeldeckel, 1910er Jahre

Nun werden vielleicht Einige fragen, warum ich denn nicht eine einfache Grafik an die- ser Stelle veröffentliche, damit man sein Peugeot damit datieren kann. Dazu muss ich sagen, dass dies tatsächlich als Projekt angedacht ist, allerdings ist es mir als Wis- senschaftler ein Graus, so etwas ohne die nötigen Belege und Argumente zu tun. Und genau daran hakt es noch. Eine Darlegung der Gründe und das Vorzeigen der Belege würde einer kleinen wissenschaftlichen Ar- beit gleichen und den Rahmen dieser ein- fachen Webseite sprengen. Wahrscheinlich hätte ich dazu noch Abmahnungen am Hals, weil ich für viele Belege und Fotografien keine Veröffentlichungs-genehmigung besitze. Zum Teil sind es Bilder aus den Tiefen des Internet, Foto- grafien von Rädern privater Sammler, Dokumente aus den Katalogen von Au- ktionshäusern usw. Von allen Rechteinhabern müsste ich erst eine Geneh-migung einholen, und das dauert oder ist gar unmöglich. Ich werde aber mittel-fristig eine einfache Form der Publikation finden. Sollten Sie vorher Fragen zur Datierung ihres Peugeots haben, dürfen Sie mich jederzeit kontaktieren, ich werde versuchen, Ihnen bestmöglich zu helfen.

 

Die Firma Peugeot unterhält, im Gegensatz zu manch anderen Traditionsunter-nehmen, ein großes Museum und auch ein Firmenarchiv. Wenn ich die Zeit er- übrigen kann und mein Französisch entsprechend aufgefrischt habe werde ich versuchen, zu diesem nicht öffentlichen Archiv Zutritt zu bekommen. Dort schlummern sicher viele Antworten auf bislang noch ungeklärte Fragen.

Update 04.2017

 

Die erste Rahmennummernliste für die Baujahre 1900-1926 ist nun online.