TTs Peugeot...

...oder der Versuch einer zeitgerechten Interpretation

Obwohl alte Fahrräder eines meiner Hobbies sind, speziell die Produkte der Marke Peugeot aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg, so brauche ich doch für All- tagsstrecken ein modernes Rad mit Gangschaltung und zeitgemäßen Bremsen, gerade in nicht brettlebener Landschaft. Und da der Kauf eines Neurads, ein Mountainbike, schon über zwanzig Jahre zurückliegt, beschloss ich, dass es nun an der Zeit ist mich nach einem entsprechenden Fahrrad umzusehen.

TTs Peugeot 2016
TTs Peugeot 2016

Die Auswahl an Neufahrrädern ist heutzutage wahrlich riesig, wie ich feststellen konnte. Allein, keines der angebotenen Produkte entsprach dem, was ich mir unter einem All- tagsfahrrad vorstellte. Entweder war die Technik nach meinen Wünschen, dann sah es meist besch...eiden aus, oder es gefiel mir optisch einigerma- ßen, dann sagte mir irgendetwas an der Technik nicht zu und müsste ge- ändert werden. Passte in seltenen Fällen für meinen Geschmack beides zusammen, dann überstieg es meine selbst auferlegte Preisgrenze in der Regel deutlich. Die setzte ich mir in einem dreistelligen Bereich. Also: Selbst ist der Mann!

 

Im Lastenheft standen: Fahrbar auf normalen Straßen, Radwegen und auch schlechteren Feldwegen; eine Nabenschaltung, da ich Kettenschaltungen nicht besonders mag; hoher Herrenrahmen (ich habe sehr lange Beine) mit 28"- Rädern (700c bzw. 622) für eine eher aufrechte Sitzposition, da ich kein Sport-radler bin; Scheibenbremsen, weil ich noch nie welche hatte und das aus- probieren wollte; leicht um- bzw. aufrüstbar zu einem Fahrrad für leichte, aber längere Touren; möglichst unkomplizierte, einfach zu wartende und auch unter- wegs zu reparierende Technik, daher keine Elektronik und auch keine Hydrau- lik. Das Ganze wie gesagt für unter Eintausend Euro und in praxisgerechter Qua- lität der Neuteile, wobei extremer Leichtbau aus Kostengründen sekundär blei- ben sollte.

 

Kurz: Ich wollte ein Fahrrad wie eines meiner alten Schätzchen, nur 'in neu' mit zeitgemäßer Technik. Und es durfte durchaus ein modernes Fahrrad sein und auch so aussehen, kein Retro-Bike, wie sie heute so in sind (wobei es da durch- aus recht nette Kreationen gibt).

Wie also würde z.B. ein Peugeot aussehen können, wenn die technischen Mög- lichkeiten von heute vor einhundert Jahren schon verfügbar gewesen wären? Spannend, ich wusste zuerst selbst nicht, was am Ende dabei herauskommen würde.

 

Zuerst musste ich nach einem entsprechenden Rahmen suchen, den ich in ei- nem Aluminium-Trekkingrahmen von Müsing fand (im Super-Sonderangebot im zweistelligen Euro-Bereich, weil Auslaufmodell). Mit knapp 1,7 kg bei 61 cm Rahmenhöhe sehr leicht und gut verarbeitet, bietet er Aufnahmemöglichkeiten für Felgen- sowie Scheibenbremse. Eigentlich wäre mir ein Stahlrahmen lieber gewesen, weil robuster, aber da ist die Auswahl sehr beschränkt und die Rahmen sind, da oft Einzelanfertigungen, entsprechend teuer.

 

Eine passende Gabel (ich wollte keine Federgabel, der Rahmen würde sie aber zulassen) fand sich auch, ebenfalls ein Auslaufmodell eines anderen Deutschen Herstellers, ich meine Gudereit aus Bielefeld. Zwar aus Aluminium, aber durch den Stahlschaft kein Super-Leichtgewicht, dafür robust. Der Anfang war also ge- macht...

Shimano Alfine 8-Gang-Antrieb
Shimano Alfine 8-Gang-Antrieb

Als Schaltung wäre mir die 14-Gang von Rohloff am liebsten gewesen, aber die hätte allein schon mein Bud- get ausgereizt. Im Endeffekt wurde es eine Shimano Alfine 8-Gang, die ich für einen guten Kompromiss zur 11- Gang Alfine (keine bessere Unter-setzung) und anderen Nabenschal-tungen hielt, deutlich günstiger war sie zudem. Einzig der Schalthebel ge- fällt mir nicht, da hätte ich lieber eine Drehgriffschaltung gehabt, aber die gibt es für die Alfine leider nicht. Egal, ich werde mich daran gewöhnen.

 

Für den Antrieb blieb ich bei Alfine, auch aufgrund der ausgefallenen Ketten-linie, aber auch wegen des günstigen und formschönen Kettenblatts. Zudem musste ich einen Spanner verbauen (ebenfalls Alfine), weil der Rahmen eigent- lich für Kettenschaltungen ausgelegt ist und daher kein Langloch für die Achse bietet, um die Kette nachzuspannen.

 

Für die negative Beschleunigung entschied ich mich für mechanische Scheiben-bremsen von Avid mit den passenden Hebeln (Modell BB7 - vorne 180 mm, hin- ten 160 mm). Das ist eine robuste, technisch einfache und kostengünstige Brem- se, die man leicht warten und einstellen kann. Auch hier hatte ich Glück und konnte ein Auslaufmodell günstig erwerben. Nicht gespart habe ich bei den Bowdenzügen, um die Kräfte an den Hebeln möglichst gering zu halten (Jag- wire).

Mechanische Scheibenbremsen Avid BB7
Mechanische Scheibenbremsen Avid BB7

Robuste Felgen von Mavic, Steckble- che, eine einfache LED-Frontleuchte nebst Alfine Nabendynamo, eine Bat- terie-Rückleuchte, ein stabiler Sei- tenständer (den ich etwas anpassen musste), einen Steuersatz von Rit- chey, viele Kleinteile und als Luxus noch Ergon-Ledergriffe und einen neuen Brooks B17 vervollständigten mein neues Alltagsrad.

 

Bei den Reifen entschied ich mich für die allseits bekannten Marathon von Schwalbe in 40 mm Breite (ähnlich der Reifen an den alten Fahrrädern), ein guter Kompromiss zwischen Komfort, Leichtlauf auf Asphalt und Grip auf Feld- wegen. Außerdem gelten die Marathon als sehr robust.

 

Zusammengerechnet konnte ich mein geplantes Budget einhalten und das neue Alltagsrad entspricht mit geringen Abstrichen dem, was ich mir vorgestellt hatte. Erste Probefahrten zum Einbremsen der Scheiben und Beläge und kleinere Aus- fahrten bestätigten mir das. Bequeme Sitzposition, hervorragende Bremswirk- ung sowie eine Schaltung, die sich ausreichend präzise schalten lässt und leich- te Steigungen gut fahrbar macht. Das Gesamtgewicht blieb mit ca. 13 kg (ohne Gepäckträger) im Rahmen dessen, was ich für ein Trekking-/Alltagsrad als ange- messen erachte. Sicher ginge es noch leichter, dann aber mit Abstrichen bei der Stabilität bzw. satten Aufschlägen bei den Kosten.

110 Jahre Fahrradtechnik
110 Jahre Fahrradtechnik

Da der Alurahmen als Einzelstück nur noch in Mattschwarz lieferbar war und bei Aluminium naturgemäß die Rohrdurchmesser ziemlich üppig aus- fallen, wirkte das Fahrrad etwas öde, trotzdem ich schon Felgen, Bremsen, Kettenblatt und andere Teile silber-farben gewählt hatte. Was also lag näher, aus meinem Konstrukt mittels Aufklebern optisch ein Peugeot zu machen? Und da sind wir wieder beim Anfang. So in etwa sehe ich ei- nes meiner alten Schätzchen nach dem Stand heutiger Technik umge- setzt: Ein bequemes, möglichst war- tungsarmes und preiswertes Alltags-fahrrad. Ob es sich auch als so lang- lebig und zäh erweist, werden die nächsten Jahre zeigen. Ich mache mir da keine Illusionen, aber man wird sehen... Rein optisch kommt es natürlich nicht an die schlichte Eleganz der alten Modelle heran, das war mir aber von Anfang an klar.