Peugeot Course-Piste von 1908

Ein seltener Renner aus der Glanzzeit des Bahnsports

Die Bezeichnung dieses Modells lautet im Katalog von 1907 noch "Extra=Piste", 1908 dann "Course-Piste", 1909 meinte man bei Peugeot offensichtlich, dem hohen Preis gebühre auch ein langer Name und nannte es "Course Extra Piste". Wie dem auch sei, es handelt sich jedesmal um den klassischen Renner für die beliebten Rundkurse dieser Zeit, nicht um ein normales Rennrad für Straßen-rennen.

Radrennbahn Botanischer Garten Berlin, 1908 (im Bau)
Radrennbahn Botanischer Garten Berlin, 1908 (im Bau)

Fahrradrennen in den damals weit verbreiteten Bahnstadien, Velodro- me genannt, zogen unglaublich vie- le Zuschauer an. Die größten Velo- drome boten bis zu vierzigtausend Zuschauern Platz!

 

Eine Radrennbahn gehörte zu jeder größeren Stadt, ähnlich wie ein Fuß- ballstadion heute. Gefahren wurde auf Holzbahnen, ebenfalls auf Erd-, Schotter- oder Makadam- und später auf Betonpisten. Die Strecke bestand aus zwei Geraden, meist verbunden durch überhöhte Kurven und gesäumt durch Zuschauerplätze auf Tribünen.

 

Die älteste deutsche Radrennbahn entstand bereits 1880 in München, als Fahr- räder für den Normalbürger noch teurer Luxus und für Arbeiter finanziell uner- reichbar waren. Die meisten dieser Radrennbahnen sind heute leider ver- schwunden und nur Straßen- oder Flurnamen erinnern noch an die hohe Zeit des Bahnsports im beginnenden 20. Jahrhundert.

Start zu einem Radrennen 1904
Start zu einem Radrennen 1904

Radrennfahrer, speziell die Bahnrad-fahrer, genossen hohes Ansehen; war doch der Radsport ein Massensport, angetrieben durch den Siegeszug des Fahrrads als erstes (für den Durch-schnittsverdiener erschwingliches) In- dividualfortbewegungsmittel um die vorletzte Jahrhundertwende. Erfolg-reiche Bahnradfahrer waren wahre Volkshelden und wurden auf Postkar- ten und Plakaten abgebildet.

Viele dieser damaligen Idole fuhren Rennräder der Marke Peugeot, weil Peugeot sehr früh und intensiv im Rennsport investierte. Als große Marke konnte man es sich finanziell leisten und die Werbewirkung prägte über Jahrzehnte das sportliche Image der Firma.

 

Langstreckenrennen auf Straßen gab es zwar (erste Tour de France 1903), aller- dings blieben sie durch die sehr schlechten Straßen und den geringeren Unter-haltungswert noch Jahre in der zweiten Reihe der Beliebtheitsskala. Das hat sich u.a. durch die Möglichkeit der Rundfunk- und später der Fernsehüber-tragung geändert. Ohne die ist ein Langstrecken-Radrennen von A nach B auch heute noch ein relativ kurzes Vergnügen für den Zuschauer.

Katalogblatt 1908
Katalogblatt 1908

Das hier vorgestellte Peugeot-Bahnrad wurde lt. Rahmennummer und Details 1908 gebaut.

Ein netter Sammlerkollege erwarb es in einem ziemlich jämmerlichen Zustand in Frankreich - ein echter Scheunenfund. Nach einiger Zeit gab er es mir für meine kleine Peugeot-Sammlung weiter.

Echte Bahnräder dieser Zeit sind sehr selten, waren sie damals doch 60% teurer als ein einfaches Tourenrad (Model A fr. 250.-, Course-Piste fr. 400.-).

 

 Der Rahmen besteht aus zwar dicken, aber stabilen und sehr leichten, weil dünnwandigen Rohren. Das Oberrohr fällt stark nach vorne ab. Verbunden sind die Rohre im Gegensatz zu den 'normalen' Rädern der da- maligen Peugeot-Palette mittels Außenmuffen. Zudem baut der Rahmen im Bereich des Hinterbaus deutlich schmäler als die der Tourer, wie sich im Tret- lagerbereich und den Sattelstreben unschwer erkennen lässt. Auch das Tret- lager samt Gehäuse als solches ist schmäler und nicht kompatibel mit denen der Tourenräder. Zusammen ergab das einen geringen Q-Faktor, wie man das heute bezeichnet. Also einen möglichst geringen Abstand der Pedale und daraus re- sultierend eine ergonomisch günstige Beinstellung des Fahrers.

 

Die Montage von Schutzblechen war nicht vorgesehen und auch vom Platz her unmöglich. Ebenso wenig konnte eine der damals üblichen Peugeot-Bremsen angebaut werden, weil die Spezialgabel kein Befestigungsloch dafür bot (beim Straßenrenner gab es eine entsprechende Bohrung für Bremse und Schutz-blech).

 

Die Sattelklemmung liegt beim Bahnrenner dieses Baujahrs nicht wie üblich hinter dem Sattelrohr, sondern, bedingt durch die gelöteten Sattelstreben, vor dem Rohr. Ein sicheres Erkennungszeichen eines Course-Piste. Ebenso ist das Kettenblatt etwas dünner als die der anderen Modelle und wird mit nur 3 mm schmalen Ketten gefahren (zu dieser Zeit üblich waren 4 mm).

Holzfelge mit Alu-Einlage bei der Auffindung
Holzfelge mit Alu-Einlage bei der Auffindung

Bahnräder wurden in der Regel oh- ne Bremsen und mit starrem Durch-trieb, also ohne Freilauf ausgeliefert. Sie besaßen aus Gewichtsgründen meist Holzfelgen mit aufgeklebten Schlauchreifen.

 

Peugeot wäre aber nicht Peugeot, hätte der Kunde nicht allerhand Aus- stattungsoptionen ordern können. So konnte das Course-Piste ebenfalls mit Holzfelgen für Drahtreifen, ja sogar Stahlfelgen bestellt werden; ebenso wie mit Seilzug-Backenbremsen von Bowden - falls der Einsatzort weniger die Rennbahn, als vielmehr die Flanier- meile sein sollte. Für die stilbewussten (Renn-)Fahrer versah Peugeot gegen ei- nen Aufpreis von fr. 5,- den Rahmen mit goldgelben Zierlinien.

 

Bei der Auffindung meines Course-Piste waren noch die alten Holzfelgen für Drahtreifen vorhanden, allerdings in völliger Auflösung begriffen und leider unrettbar verloren. Sie wurden durch annähernd baugleiche, neue Holzfelgen ersetzt. Als weiteres Extra besitzt dieses Course-Piste eine Linierung des Rah- mens, die man an einigen Stellen noch erkennen kann.

Verstellbarer Lenker von Kelly
Verstellbarer Lenker von Kelly

Der bei Auffindung ebenfalls mon- tierte Lenker, ein sehr seltener ver- stellbarer Kelly aus den USA (patent- iert 1898), wurde durch einen Bahn- lenker ersetzt, wie er auch bei Peugeot geordert werden konnte. Die Fragmente eines Tourensattels der 1930er Jahre ersetzt ein Rennsattel in gutem Zustand. Als Griffe sind Nach- bauten mit Korkmantel montiert, da alte Korkgriffe mit 25 mm Innenmaß so gut wie nicht mehr zu bekommen sind. Im Auslieferungszustand besaß das Course-Piste lt. Katalog ebenfalls Korkgriffe.

Das 1"- Kettenblatt zeigt 30 Zähne, die größte damals lieferbare Variante.

 

Nur die Pistenräder verzichteten auf die sonst üblichen, typischen Peugeot Pedale und waren mit leichten, grif- figen Rennpedalen, sog. Rat Traps ausgestattet (s. Katalogabb.).

 

Mit einem Maß von 62 cm ist es der größte lieferbare Rahmen beim Course-Piste. Mit kleinerem Rahmen und Schlauchreifen auf Holzfelgen wiegt das Bahnrad unter 10 kg. Dieses hier kommt auf knappe 11 kg.

 

Fahrbar ist mein Course-Piste, bequem ist aber was anderes.