Der Fahrradbau bei Miele in Bielefeld

Miele gehörte zu den Spätzündern, was den Bau von Fahrrädern anbelangte. Die Planungen liefen bereits seit 1916, das erste Fahrrad verließ aber aufgrund der Verzögerungen durch den 1. Weltkrieg und die darauf folgende wirtschaftliche Depression erst 1924 die neu errichteten Werkshallen in Bielefeld.

Miele, eigentlich in Gütersloh beheimatet, wählte Bielefeld als Standort seiner neuen Fahrradproduktion, da sich dort bereits eines der Zentren des deutschen Fahrradbaus etabliert hatte und somit ausreichend Fachpersonal und Know-how zur Verfügung stand. Daher tragen die ersten Miele-Fahrräder auch noch die Ortsbezeichnung Bielefeld im Schild. Ab den 1930er Jahren wurde dann Gütersloh angegeben.

Miele-Werbung Mitte der 1920er Jahre
Miele-Werbung Mitte der 1920er Jahre

Wie es sich für ein Miele-Produkt gehört, machte man keine Experimente in Sachen Technik, sondern lieferte Bewährtes – dies aber in der auch heute noch legendären Miele-Qualität. Obwohl die Fahrrad-produktion bei Miele nur einen Teil des großen Portfolios der Firma darstellte, verwandte man auch auf dieses Produkt besonderes Augenmerk bezüglich der Haltbarkeit, während die Gestaltung – neudeutsch: Design – eher dem konservativen Fahrradbau verpflichtet war. Daher erschließt sich die besondere Stellung eines Miele-Rades in der Masse der Fahrräder erst bei genauerem Hinsehen bzw. besonders bei einer Restaurierung: Miele fertigte fast sämtliche Teile seiner Fahrräder selbst, sogar den fast obligatorischen Naben von Fichtel & Sachs vertraute man nur dahingehend, dass hinten eine Rücktrittnabe dieses Herstellers verbaut wurde, da man selbst nicht über ein Patent verfügte. Vorne allerdings waren Miele die Zuliefererteile schon nicht mehr gut genug und man entwarf Naben nach eigenen Qualitätsvorstellungen mit speziell abgedichteten Lagern. Auch das Tretlager besticht durch aufwändig gedichtete Wälzlager. Restauratoren können bestätigen, dass Miele-Tretlager so gut wie nie Kummer bei der Aufarbeitung eines Rades machen.

Die Rahmenrohre bestanden aus schwedischem Stahl, damals ein sprichwörtliches Qualitätsprädikat. Die wenigen zugelieferten Teile bezog man von bekannten Spezialherstellern.

 

1960 kommt das Ende der Zweiradproduktion bei Miele, da nun die Kapazitäten im Werk Bielefeld für ein neues Produkt benötigt werden: den Geschirrspüler. Das ist einerseits traurig, andererseits weiß natürlich der junggesellige Fahrradrestaurierer um die Vorzüge eines Geschirrspülers – der besten Erfindung nach der Waschmaschine und dem Klebeband... und natürlich dem Fahrrad.

Miele-Werbung Ende 1920er Jahre
Miele-Werbung Ende 1920er Jahre

Fahrräder der Marke Miele aus der Zeit nach 1945 sind zwar häufig, werden aber trotzdem mit relativ hohen Liebhaberpreisen honoriert. Das ist einfach der Qualität dieser Räder geschuldet. Miele-Räder sind auch für Anfänger des rostigen Hobbys geeignet, weil sie keine Rätsel aufgeben und meist auch keinen Frust aufgrund defekter exotischer Teile verursachen. Miele-Räder aus den 1930er Jahren sind dagegen schon recht selten, solche aus den Anfängen in den 20er Jahren eigentlich kaum zu bekommen. Bei Letzteren wird dadurch auch die Originalteile-Beschaffung zum Gedulds- und Glücksspiel.

Auffällig ist, dass sich von vier mir bekannten Miele Modell 6 (Damenrad) drei in ländlicher Umgebung fanden. Das mag eventuell darauf zurückzuführen sein, dass Miele als bekannter Produzent von Milchzentrifugen dort auch seine Fahrräder durch die ansässigen Händler gut verkaufen konnte.

 

Wie es sich für eine traditionsbewusste Firma gehört, unterhält Miele ein Werksmuseum und ein Firmenarchiv. Dankenswerterweise stellt Miele auch für seine Fahrradproduktion Archivmaterial in Form von Katalogen öffentlich und dazu kostenfrei zur Verfügung. Das kann man nicht genug loben. Leider ist das für den Fahrradsammler keineswegs die Normalität.

 

Um sich etwas in die Geschichte der Zweiradproduktion bei Miele einzulesen, können Sie sich hier ein PDF herunterladen. Die Fahrrad-Kataloge finden Sie dort.