Dieses Wanderer Nr. 2 kaufte ich vor einigen Jahren von einem Sammler-kollegen aus Ostdeutschland. Seit 2016 hat es schon wieder einen neu- en Eigentümer gefunden, weil mir einfach der Platz langsam ausgeht.
Da es sich um ein sehr seltenes Mo- dell handelt, möchte ich es dennoch kurz auf dieser Seite vorstellen.
Das Modell Nr. 2 wurde von Wanderer nur bis zum Jahr 1929 gefertigt. Als Luxusausführung war es in der auf- kommenden Weltwirtschaftskrise wohl nicht mehr in ausreichender Menge ab- zusetzen und man beschränkte sich ab 1930 auf weniger aufwändige und da- durch günstigere Modelle. Jedenfalls fehlt das Nr. 2 im Katalog von 1930 bereits ersatzlos.
Wanderer beschreibt das Nr. 2 als 'Sehr elegantes Herrenrad' und ver- spricht Vorteile besonders bei 'Tou- ren und strapaziösen Gebirgsreisen'. Das kommt nicht von ungefähr, son- dern liegt an der Ausstattung des Nr. 2, speziell der Vorderrad-Felgen-bremse.
Besaßen die normalen Modelle, wie auch bei den meisten anderen deut- schen Herstellern, in der Regel eine Stempelbremse, so bekam der Kun- de hier eine zweiseitig wirkende Fel- genbremse im englischen Stil. Die wirkte von unten via Gestänge auf die Felge ein. Dazu waren natürlich die üblichen Wulstfelgen aufgrund der versetzten Speichen und ihres Profils unbrauchbar, so dass das Nr. 2 mit vernickelten Drahtreifenfelgen vom Typ Westwood ausgestattet war; die im nichtsprachigen europäischen Ausland gängigste Felgenvariante.
Einer auf den Reifen direkt einwirkenden Stempelbremse waren diese Felgen-bremsen von ihrer Bremswirkung her natürlich deutlich überlegen und daher gerade für gebirgiges Terrain Ersterer vorzuziehen. Auch die Drahtreifen stellten die modernere Konstruktion dar, waren leichter und stabiler im Fahrverhalten. Als Option war hinten statt der Torpedo-Bremsnabe auch ein einfacher Freilauf in Verbindung mit einer weiteren Felgenbremse zu bekommen.
Wie auch die ausländischen Produkte dieser Zeit und einige deutsche Luxus-Modelle besaß das Wanderer Nr. 2 ein langes vorderes Blech, das eine deutlich bessere Schutzwirkung gegen Spritzwasser bot.
Von der restlichen Ausstattung her glich das Nr. 2 dem einfachen Tourenrad Nr. 1. Das bedeutete bei Wanderer damals ein standardmäßig 60 cm hoher Rahmen mit Außenmuffung, eine farbige Linierung, einen Sattel von Winkelhofer, Dop- peldickendspeichen sowie einen Lenker nach Wahl in englischer oder deut- scher Form.
Beim hier gezeigten Nr. 2 wurden von einem Vorbesitzer die Felgen, der wohl fehlende Lenker sowie Sattel und Pedale ergänzt. Der Rahmen, die Schutzbleche sowie der Antrieb mit Kettenblatt und Kurbeln befinden sich in einem exzellenten Originalzu-stand. Sowohl Lack als auch Nickel wurden nicht ausgebessert, sondern repräsentieren den ersten Zustand.
Da sowieso die Felgen ergänzt wur- den, ist dieses Wanderer Nr. 2 unein-geschränkt fahrbar. Dafür hatte ich noch eine zeitgemäße Lichtanlage montiert, die
aus einem Lucifer/ Impex-Dynamo und einer Lampe der Frankfurter Orchestrion- und
Instrumen-tal-Piano-Fabrik J.D. Philipps, AG (PHILAG) bestand. Hinten verrichtete ein batteriegespeistes Stabrücklicht seinen Dienst.
Passend zu den Griffen der Nürnberger Celluloidwarenfabrik Gebr. Wolff G.m.b.H. fand sich noch eine Celluloidpumpe des selben Herstellers in meinen Teilekisten.
Um bei einer Kontrolle zwei funktionierende Bremsen vorweisen zu können, wurde vorübergehend eine zeitgemäße vernickelte Felgenbremse ans Vorder- rad
geschraubt. So gerüstet, konnte man mit dem Wanderer auch längere Tou- ren bequem bestreiten - 'strapaziöse Gebirgsreisen' einmal ausgenommen.