La Francaise Diamant, 'Modèle Route Léger'

Ein früher Tour de France-Renner

 

Dieses La Francaise Diamant befindet nun seit etwa vier Jahren in meinem Be- sitz. Bekommen habe ich es über einen Sammlerfreund, der es wiederum von einem französischen Kollegen kaufte.

Maurice Garin auf La Francaise Diamant. Werbeplakat von 1901
Maurice Garin auf La Francaise Diamant. Werbeplakat von 1901

Über die 'Société La Francaise' kann man hier ein paar Sätze nachlesen. Mit dem Namen 'La Francaise Diamant' ist vor allem der Fahrer Maurice Garin und sein Sieg bei der ersten Tour de France 1903 verknüpft, bei der die ersten fünf Plätze an Fahrer von Rä- dern dieses Herstellers gingen.

 

Ich war bis vor Kurzem der Auffassung, dass es sich bei meinem Diamant um ein Touren- rad aus der Modellpalette von La Francaise handelt. Datiert hatte ich das Rad aufgrund von Vergleichen in die 00er Jahre des 20. Jahrhunderts.

 

Als ich das Fahrrad bekam, war ein Rennsat- tel aus den 1930er Jahren und ein franzö-sischer Wendelenker ('Reversible') aus den 1910er Jahren montiert. Die Felgenbremsen stammten aus den 1920er Jahren. Ich baute damals einen bequemen alten Fe- dersattel sowie einen Tourenlenker an und wechselte das ziemlich abgefahrene Freilaufritzel, da ich das Rad für Ausfahrten nutzte. Auch die Bremsen wichen einigermaßen zeitgerechten Modellen.

Maurice Garin auf La Francaise Diamant. Fotografie datiert 1897. Man beachte die feschen Radlerhosen.
Maurice Garin auf La Francaise Diamant. Fotografie datiert 1897. Man beachte die feschen Radlerhosen.

Bis auf die erwähnten Teile schien mir das Diamant relativ unverbastelt zu sein. Beide Naben, Kurbeln wie Kettenblatt und auch der Steuersatz sind mit dem Markenzeichen resp. dem Schriftzug von Diamant versehen. Die Pedale sind ebenfalls typisch für Dia- mant und werden sogar in Zubehör-katalogen als 'Typ Diamant' geführt. Die Westwood- oder Chapeau de Gendarme-Felgen der Firma Peugeot sind mit fili- granen Doppeldickendspeichen (1,8/2 mm) eingespeicht, die eine kupferfarbene Be- schichtung tragen und bis auf wenige nach- träglich gewechselte Speichen aus grauer Vorzeit stammen. Der Rahmen wurde einst stellenweise professionell neu lackiert.

Die Höhe des ausschließlich innengemufften Rahmens beträgt gut 60 cm und das Fahrrad besitzt einen für die frühen Produkte der Firma La Francaise ty- pischen, relativ langen Radstand.

 

Was mir damals sofort auffiel war das sehr geringe Gewicht des La Francaise Diamant. Französische Räder im Allgemeinen und solche der frühen Jahre des 20. Jahrhunderts im Speziellen sind auffallend leicht, vergleicht man das mit Produkten aus Deutschland oder auch Österreich. Dieses La Francaise aber erstaunte mich und auch andere immer wieder durch sein für diese Rah- menhöhe doch ausgesprochen geringes Gewicht bei trotzdem recht hoher Stabilität. Auch lief es erstaunlich leicht, nachdem ich sämtliche Lager gereinigt und neu geschmiert hatte. Den zwei Ölern im Tretlager schenkte ich damals noch keine besondere Beachtung, obwohl bei normalen Tourenrädern in der Regel meist nur ein Öler verbaut wurde.

Katalogblatt La Francaise, Modell 'Route Léger' (Rennrad) 1905
Katalogblatt La Francaise, Modell 'Route Léger' (Rennrad) 1905

Da die Firma La Francaise für mich kein explizites Sammelgebiet darstellt, bemühte ich mich auch nicht besonders um Katalog-material oder sonstige Quellen. Eher zufäl- lig konnte ich vor Kurzem einen Katalog von La Francaise aus dem Jahr 1908 ein- sehen und besorgte mir überdies den- jenigen des Jahres 1905. Was ich dann herausfand erfreute mich doch sehr: Bei diesem Diamant handelt es sich nicht um das normale Tourenrad, sondern vielmehr um den Typ 'Route Léger', was bei La Francaise soviel bedeutet wie das Straßen-Rennrad (im Gegensatz zum Bahn-Renner).

Katalogblatt La Francaise, Modell 'Route Extra' (Tourenrad) 1905
Katalogblatt La Francaise, Modell 'Route Extra' (Tourenrad) 1905

Mit einem Fahrrad dieses Typs bzw. einem ganz ähnlichen wurden 1903 und 1904 die beiden ersten Bewerbe der Tour de France und andere bedeutende Rennen bestritten, was auch im 1905er-Katalog stolz ange- geben wird. Das einfache Tourenrad (Typ 'Route Extra') zeigt sich dagegen völlig unterschiedlich in Rahmenbau sowie Rah- mengeometrie, was ein Vergleich durch das Übereinanderlegen der unterschiedlichen Rahmen schnell deutlich machte. Zudem besitzt das Touren-Modell 1905 durchwegs Außenmuffen und ein im Gegensatz zum Rennrad deutlich robusteres Kettenblatt.

1908 haben sich Rahmen und Antrieb beider Modelle bereits grundlegend geändert, so dass eine Datierung meines Diamant zumindest mit 'vor 1908' als gesichert gelten darf. Da mir bis jetzt noch weitere Kataloge sowie eine Chronologie der Rahmennummern fehlen, muss die Datierung des Diamant mit 'um 1905' vorerst etwas wage bleiben. Nichtsdestotrotz bleibt die Tatsache, dass es sich bei dem hier vorgestellten Rad um das Modell handelt, mit dem Maurice Garin seine großen Siege eingefahren hat. Das zeigt auch ein Foto von Garin und seinem Siegerrad, aufgenommen 1903 kurz nach der Tour (s. Foto). Rahmen und Kettenblatt lassen sich mit der Katalogabbildung von 1905 vergleichen, einzig die Felgen sind unterschiedlich. Garin fuhr, wie wohl die meisten seiner Konkurrenten, die damals bei Wettbewerben gängigen Holzfelgen mit Hoch- druck-Schlauchreifen. Holzfelgen waren laut Katalog auch beim Modell 'Route Léger' gegen einen Aufpreis erhältlich.

Maurice Garin mit Masseur und Sohn nach seinem Sieg bei der ersten Tour de France 1903
Maurice Garin mit Masseur und Sohn nach seinem Sieg bei der ersten Tour de France 1903

Das Gewicht des Diamant 'Route Léger' wird im Katalog mit 'ungefähr 11 kg' angegeben. Erfahrungsgemäß sind diese Angaben etwas optimistisch, wie ich bei meinen Peugeots nachvollziehen konnte. Zudem wurde das Gewicht in der kleinsten erhältlichen Rah- menhöhe, ohne Bremsen (wenn nicht Serie) und oft auch ohne Reifen gerechnet. Trotz allem wiegt das Rad mit Bremsen, schweren Drahtreifen und in der größten Rahmenhöhe gerade einmal 12-13 kg. Für ein so großes, über einhundert Jahre altes Fahrrad durch- aus beachtlich; noch dazu, wenn man be- denkt, dass die Rahmen aufgrund der Beschaffenheit der damaligen Straßen - oder besser: Verkehrswege - deutlich robuster sein mussten als diejenigen heu- tiger Rennräder. Meist fuhr man auf unbefestigten Straßen, nur in größeren Ort- schaften bekam man auch Kopfsteinpflaster unter die Reifen – was auch nicht viel besser war. Unter diesen Voraussetzungen würde ein heutiger Tour de France-Fahrer keine zehn Kilometer weit kommen, ohne sein Fahrrad zu zer- stören.

Ein weitere Zusatz in der Beschreibung des 'Route Léger' von 1905 ließ mich allerdings nachdenklich werden. Dort heißt es: 'Cette machine n'est garantie que pour cyclistes légers (75 kilos)'. Da heißt es für mich wohl demnächst 5 Kilo ab- zuspecken...